Aktuelles
30.01.2023

Abgeltung von Resturlaubsansprüchen aus vergangen Jahren – BAG-Entscheidungen zum Verfall von Urlaubsansprüchen erfordern sofortige Maßnahmen auf Arbeitgeberseite

Kurz gesagt: Ohne Hinweis auf Umfang und möglichen Verfall von Urlaubsansprüchen unterliegen diese Urlaubstage grundsätzlich weder dem Verfall noch der Verjährung. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht Ende Dezember 2022 in zwei Fällen entschieden. Damit können vermeintlich verjährte, über Jahre kumulierte Urlaubsansprüche ein hohes finanzielles Risiko darstellen. Dabei ist auch die häufige Praxis, Aushilfen lediglich für tatsächlich gearbeitete Zeiten zu vergüten, risikobehaftet.

Was hat sich konkret geändert?

Seit dem 20.12.2022 ist klar: die Verjährungsfrist von Urlaubsansprüchen beginnt erst, wenn Arbeitnehmer über bestehende Resturlaubsansprüche und den drohenden Verfall der Urlaubstage informiert wurden. Das gilt sogar, in Fällen dauerhafter Arbeitsunfähigkeit. Diese Rechtsprechung sollten Arbeitgeber zum Anlass nehmen, ihre bisherige Praxis im Umgang mit (Rest-) Urlaubsansprüchen zu überprüfen und ggf. anzupassen.

Was galt bisher?

Nach der gesetzlichen Regelung erlischt ein für das laufende Kalenderjahr bestehender Urlaubsanspruch, wenn dieser nicht bis zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres oder bei einer Übertragung bis zum 31. März des Folgejahres gewährt und genommen wurde, § 7 Abs. 3 S. 2 Bundesurlaubgesetz (BUrlG). Seit einer Änderung der Rechtsprechung in 2019 verfallen Urlaubsansprüche nur nach vorherigem Hinweis seitens des Arbeitgebers. Immerhin war Konsens, dass Urlaub, der wegen einer Arbeitsunfähigkeit (Krankheit) nicht im Jahr seines Entstehens bzw. während des Übertragungszeitraums genommen werden kann, 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfällt („15-Monatsfrist“). So konnten Urlaubsansprüche Langezeiterkrankter über die Zeit durch Verfall abgebaut werden. Spätestens nach drei Jahren galten diese Ansprüche als verjährt.

Paukenschläge stellen daher die aktuellen Urteile dar: auch die Verjährung von Urlaubsansprüchen beginnt erst mit dem Schluss des Jahres, in dem Arbeitnehmer über ihren konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt werden. Das gilt auch für Resturlaubsansprüche des Jahres, in dem Arbeitnehmer auf Dauer erkranken, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht nachgekommen ist.

Kommen Arbeitgeber also nicht ihren Mitwirkungsobliegenheiten nach, verjähren Urlaubsansprüche nicht. Das kann bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erheblichen Abgeltungsansprüchen führen.

Außerdem: regelmäßig erhalten geringfügig Beschäftigte Vergütung für tatsächlich geleistete Stunden. Urlaub ist hier oft kein Thema. Das kann sich nun ändern und wird ggf. auch Thema im Rahmen der regelmäßigen Betriebsprüfung sein – nicht zuletzt weil sich hier Ansprüche der Sozialversicherungsträger ergeben können.

Hilfreich: Viele Arbeits- oder Tarifverträge enthalten Regelungen, wonach Ansprüche aus oder in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen, wenn sie nicht zuvor - in Textform - geltend gemacht werden. Bisher hat die Rechtsprechung derlei Ausschluss- und Verfallfristen toleriert, weil es sich bei der Abgeltung von Ansprüchen lediglich um vermögensrechtliche Ansprüche handelt. Dazu müssten die Klauseln jedoch in jeder Hinsicht wirksam sein – auch dies unterliegt jedoch dem Wandel der Zeiten… Es lohnt sich also, die einschlägigen Arbeits- und Tarifverträge zu überprüfen.

Was ist jetzt zu tun?

Ein regelmäßiger, nachweisbarer Hinweis auf den verbleibenden Resturlaub sollte spätestens jetzt zur Routine für jeden Arbeitgeber werden. Arbeitnehmer müssen in die Lage versetzt werden, frei darüber zu entscheiden, ob sie ihren Urlaub in Anspruch nehmen möchte. Pauschale Mitteilungen wie Rundschreiben genügen hier leider nicht.

Informationsschreiben sollten folgendes enthalten:

a. Verbleibende Urlaubstage

b. Aufforderung zur rechtzeitigen Inanspruchnahme des Urlaubs

c. Hinweis auf Konsequenzen nach Ablauf der Verfalls- und Verjährungsfristen

Insbesondere sollten die Urlaubskonten der vergangenen Jahre auf nicht verfallenen Resturlaub geprüft und nicht genommene Urlaubstage in das Informationsschreiben aufgenommen werden. Denn erst wenn über alle verbleibenden Urlaubsansprüche aus den zurückliegenden Jahren unterrichtet wurde, können diese verjähren.

Da die o. g. Regelungen grundsätzlich nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gelten, empfiehlt es sich außerdem, bestehende Arbeitsverträge entsprechend anzupassen. Auch eine Kontrolle der Ausschlussklauseln raten wir an.

Autorinnen