Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der damit verbundenen Sanktionen der Europäischen Union haben viele europäische Unternehmen ihre Geschäftsaktivitäten in Russland vollständig eingestellt.
Doch während Exporte nach Russland teilweise verboten sind, bleiben bestehende Markenrechte formal bestehen – und drohen dennoch zu verfallen, wenn bestimmte Vorgaben des russischen Markenrechts nicht beachtet werden.
Nach geltendem Recht in Russland kann eine eingetragene Marke gelöscht werden, wenn sie innerhalb von drei aufeinanderfolgenden Jahren nicht benutzt wurde. Diese sogenannte Benutzungsschonfrist beginnt mit dem Tag der Eintragung.
Eine rechtserhaltende Benutzung im Sinne des Gesetzes ist nur dann gegeben, wenn sie durch den Markeninhaber selbst, durch einen eingetragenen Lizenznehmer oder durch eine Person erfolgt, die unter der Kontrolle des Markeninhabers handelt – etwa im Rahmen einer dokumentierten Vertriebspartnerschaft. Die bloße Präsenz von Produkten auf dem russischen Markt über nicht autorisierte Dritte – etwa durch Parallelimporte – genügt in der Regel nicht als rechtserhaltende Nutzung. Zwar sieht das Gesetz die Möglichkeit zur Rechtfertigung der fehlenden Benutzung vor, doch gelten Sanktionen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als ausreichende Rechtfertigung.
Mit Ablauf der dreijährigen Schonfrist sind Marken daher in Russland löschungsreif. Jeder, der ein berechtigtes Interesse nachweisen kann, darf dann einen Antrag auf Löschung wegen Nichtbenutzung stellen. Als berechtigtes Interesse kann unter anderem anerkannt werden, dass ein Unternehmen ähnliche Waren unter einem ähnlichen Zeichen auf den Markt bringen möchte, bereits eine neue Markenanmeldung eingereicht hat oder zuvor selbst Gegenstand von Abmahnungen durch den Markeninhaber war.
Tatsächlich mehren sich in Russland die Fälle, in denen lokale Unternehmen gezielt versuchen, ehemals bekannte westliche Marken entweder selbst anzumelden oder die Nichtbenutzung der ursprünglichen Rechte geltend zu machen, um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Europäische Unternehmen haben dem oft nichts entgegenzusetzen, wenn die dreijährige Frist abgelaufen ist und kein belastbarer Nutzungsnachweis geführt werden kann. Ohne tatsächliche Benutzung ist die Marke dann zwar noch eingetragen, kann aber nicht mehr durchgesetzt werden – Abwehrmaßnahmen gegen Nachahmer oder Markenverletzer bleiben erfolglos. Die Marke wird faktisch zum „zahnlosen Tiger“.
Zwar ist es denkbar, dass im Einzelfall Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb oder aus Urheberrecht bestehen, jedoch sind die Anforderungen hoch und somit nur Einzelfälle betroffen.
Was können Unternehmen tun, die ihre Markenrechte in Russland für den Fall eines eventuellen Wiedereintritts in den russischen Markt absichern möchten?
Der wohl wichtigste Rat betrifft die Anmeldung neuer Marken – allerdings mit Anpassung des Markenzeichens oder des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses. Denn Doppelanmeldungen (identisches Zeichen mit identischem Verzeichnis) sind in Russland nicht zulässig. Durch eine leicht veränderte Anmeldung lässt sich die Benutzungsschonfrist voraussichtlich wieder von vorn starten. Diese Strategie kann helfen, die Marke für einen möglichen späteren Wiedereintritt in den Markt vorzubereiten – auch wenn eine aktive Nutzung aktuell noch ausgeschlossen ist.
Aber Vorsicht: Die Planung und Durchführung solcher Neuanmeldungen ist mit gewissem Aufwand verbunden und sollte sorgfältig durchdacht werden, insbesondere wenn das bestehende Markenportfolio komplex ist oder auf internationaler Ebene abgestimmt sein muss.
Ungeachtet dessen bleibt das rechtliche Umfeld in Russland angespannt und die markenrechtliche Zukunft ungewiss. Zwar wurde im Juni 2024 ein Gesetzentwurf in die russische Duma eingebracht, der vorsah, geistiges Eigentum von Personen aus sogenannten „unfreundlichen Staaten“ (also u. a. der EU) gänzlich vom Schutz auszuschließen. Dieser Entwurf wurde bislang zwar von der russischen Regierung unter Verweis auf die Verfassung und internationale Abkommen abgelehnt – ganz vom Tisch ist die politische Debatte um solche Maßnahmen allerdings nicht.
In der derzeitigen Lage gilt daher umso mehr: Wer nach einem eventuellen Ende des Krieges und der Aufhebung Sanktionen wieder auf dem russischen Markt tätig werden will oder seine Markenrechte nicht kampflos preisgeben möchte, sollte jetzt handeln. Die drohende Löschung wegen Nichtbenutzung ist kein Automatismus, aber ein realer rechtlicher und wirtschaftlicher Risikofaktor.
Gerne beraten wir Sie zu den konkreten Handlungsoptionen für Ihr Unternehmen – in enger Abstimmung mit russischen Kanzleien und zusammen mit unseren Spezialisten für Zollrecht und Außenwirtschaftsrecht Jens Glaß und Philipp Prinz unter Berücksichtigung der geltenden sanktionsrechtlichen Rahmenbedingungen.