Die Bundesregierung unter Friedrich Merz hat am 06. August 2025 den Entwurf eines Vergabebeschleunigungsgesetzes vorgelegt. Nach der ersten Lesung und Beratung im Bundestag am 09. Oktober 2025 wurde der Entwurf zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.
Der Gesetzesentwurf sieht zahlreiche Maßnahmen zur Vereinfachung, Beschleunigung und Digitalisierung des Vergabeverfahrens vor. Gleichzeitig sollen die Zugangshürden für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht erhöht und die Teilnahmemöglichkeiten für junge Unternehmen verbessert werden.
Wir fassen für Sie die wesentlichen Neuerungen zusammen.
Maßnahmen zur Vereinfachung und zum Bürokratieabbau
- Ausnahmen vom Losgrundsatz
Bei dringlichen Infrastrukturvorhaben aus dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaschutz“ soll künftig auf die Aufteilung in Lose verzichtet werden dürfen, wenn der Auftragswert mindestens das 2,5-fache der EU-Schwellenwerte erreicht (§ 97 Abs. 4 S. 4 GWB-E).
Das bedeutet: Große Projekte können schneller vergeben werden.
Daneben sieht der Entwurf für verteidigungs- und sicherheitsspezifische Aufträge eine bis Ende 2030 befristete Ausnahme vom Losgrundsatz vor (§ 117 Abs. 2 GWB-E).
- Allgemeiner EU-Schwellenwert für Bundesoberbehörden und erleichterte Zusammenarbeit
Für obere Bundesbehörden soll künftig der allgemeine EU-Schwellenwert (aktuell 221.000 EUR netto) gelten. Der niedrigere Wert (143.000 EUR netto) bleibt nur für das Bundeskanzleramt und die Ministerien bestehen (§ 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB-E).
Auch die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit wird erleichtert: Kammern können einbezogen werden, und eine „Inhouse-Vergabe“ soll auch bei mittelbar kontrollierten Unternehmen oder in sogenannten „Schwesterkonstellationen“ möglich sein (§ 108 Abs. 4 GWB-E).
- Vereinfachung der Eignungsprüfung und Nachweise
Nachweise sollen vorrangig durch Eigenerklärungen erbracht werden können (§ 122 Abs. 2 GWB-E).
Für Unternehmen bedeutet das: Weniger Papierkram bei kleineren Aufträgen.
Eignungskriterien müssen künftig im Verhältnis zum Auftragswert stehen (§ 122 Abs. 4 GWB-E). Außerdem soll ein vereinfachter Wertungsprozess bei offenen Verfahren den Aufwand reduzieren (§ 42 VgV-E). Nachweise dürfen nur noch von aussichtsreichen Bietern verlangt werden (§ 122 Abs. 2 GWB-E, § 48 VgV-E).
- Erhöhung der Wertgrenzen für Direktaufträge
Die allgemeine Wertgrenze für Direktaufträge des Bundes und der Sozialversicherungsträger soll auf 50.000 EUR steigen (§ 55 BHO-E, § 22 SVHV-E). - De-facto-Vergaben
De-facto-Vergaben sollen nicht mehr automatisch zur Unwirksamkeit des Zuschlags führen, wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen (§ 135 Abs. 4 GWB-E). Stattdessen können Geldsanktionen oder eine Verkürzung der Vertragslaufzeit angeordnet werden.
Maßnahmen zur Beschleunigung und Digitalisierung
- Nachprüfungsverfahren
Diese sollen künftig überwiegend schriftlich oder elektronisch geführt werden (§§ 158 ff. GWB-E). Aktenübermittlung und Einsicht erfolgen digital (§§ 163 ff. GWB-E). Verhandlungen können per Video stattfinden (§§ 166, 175 GWB-E).
Das spart Zeit und beschleunigt Verfahren. - Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden
Beschwerden gegen Entscheidungen der Vergabekammern sollen keine aufschiebende Wirkung mehr haben (§ 173 Abs. 1 GWB-E).
Problematisch: Bieter können einen rechtswidrigen Zuschlag im Beschwerdeverfahren nicht mehr verhindern. - Digitalisierung des Vergabeverfahrens
Elektronische Auftragsbekanntmachungen sollen künftig direkte Verlinkungen zu Vergabeunterlagen enthalten (§ 122 Abs. 4 GWB-E). Auch die Markterkundung soll elektronisch möglich sein (§ 28 VgV-E).
Maßnahmen zur Stärkung des Mittelstandes und junger Unternehmen
- Berücksichtigung mittelständischer Interessen
Bei Gesamtvergaben können Auftragnehmer verpflichtet werden, Unteraufträge an KMU zu vergeben (§ 97 Abs. 4 GWB-E). - Besondere Berücksichtigung junger Unternehmen
Bei der Auswahl von Eignungskriterien und Nachweisen sollen die besonderen Umstände von KMU und jungen Unternehmen stärker berücksichtigt werden (§ 42 VgV-E).
KMU und Start-ups sollen in geeigneten Fällen aktiv zur Teilnahme aufgefordert werden (§ 17 VgV-E). Junge Unternehmen (bis 8 Jahre nach Gründung) dürfen alternative Nachweise für ihre Leistungsfähigkeit erbringen (§ 45 VgV-E).
Rechtsschutz und Beratungsbedarf
Die Änderungen führen zu einem erhöhten Beratungsbedarf. Besonders der Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden macht es für Bieter entscheidend, bereits im Nachprüfungsverfahren erfolgreich zu sein.
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